Historisches Eiderstedt Wirtschaftsformen

Wirtschaftsformen/ Handel und Gewerbe

Weidemast, Milcherzeugung, Ackerbau - das sind die drei Hauptformen der Wirtschaft in Eiderstedt im Laufe der Jahrhunderte. Sie erscheinen in unterschiedlichen Akzentuierungen und waren aber immer verbunden mit einem regen Handel.

Viehzucht, -handel bis 1550

Die frühesten Spuren über Wirtschaftsformen in Eiderstedt finden wir in den Ausgrabungen der Flachsiedlungen wie Tofting (100-500 n. Chr.), Elisenhof (750-1100 n. Chr.) und Welt. Die Menschen haben sich damals vorwiegend von Fleisch ernährt, weniger von Fisch. Spuren von Holzpflügen weisen darauf hin, dass auch Ackerbau betrieben wurde. Tofting (100-500 n. Chr.) und Elisenhof (750-1100 n. Chr.) lebten weitgehend autark von der Landwirtschaft. Später wurde für Nordfriesland der Vieh- und Salzhandel vorrangige Einnahmequelle-1-. Er war nötig, um an die Dinge heranzukommen, die die Landschaft nicht selber produzierte: Wachs, Waffen, Geschirr etc.. Die frühesten Urkunden unserer Landschaft beweisen die
Bedeutung des Handels:
1340 - Die Strandfriesen handeln mit Hamburg und Stade. Sie sollen bei Neuwerk keinen Zoll zahlen, wenn sie nach Stade fahren, wohl aber wenn sie nach Hamburg segeln.-2-
Nach der großen Mandränke von 1362 lag der Handel an der nordfriesischen Küste nieder und mußte wieder aufgebaut werden. Der wichtigste Handelsort in Nordfriesland Rungholt war untergegangen und die Händler suchten sich neue Stätten des Handels und Schutzes. Sie handeln mit den Ratsleuten und Richtern von Utholm 1367 einen Geleitbrief-3- aus und im selben Jahr ebenfalls mit Hennstedt, Delve und Tellingstedt-4-, schließlich einen gleichen Vertrag mit dem Kirchspiel Ulstrup 1373-5-. Hier an der Westküste soll früher ein Buttermarkt gewesen sein.-6-
Aus den Streitigkeiten mit den Dithmarschern, die in über 600 Klageschriften-7- von 1448, 1509, 1559 festgehalten sind, geht hervor, dass ein reger Handel südlich und nördlich der Eider herrschte. Schließlich kauften sich die Eiderstedter 1526 den „frye commercie“ (freien Handel) innerhalb der Dreilanden, der 1589 auf Husum ausgeweitet wird.

-1- Bantelmann, A. in 'Geschichte Nordfrieslands' Bredstedt 1995 S. 54 ff"
-2- SHRU 1077, 9. Juni 1340"
-3- SHRU 1226; 25. 7.1367"
-4- SHRU 1228; 8.9.1367"
-5- SHRU 1477, 7.2.1373"
-6- Chronik von J. Hamkens, 1771, Heft 12, S. 72/73"
-7- Unveröffentlichtes Manuskript von A. Panten"

Milchwirtschaft 1550 bis 1800 mit verschiedenen Schwerpunkten des Ackerbaus
Ende des 16. Jahrhunderts entwickelt sich ein neuer landwirtschaftlicher Schwerpunkt: die Milchwirtschaft, genauer: die Produktion von Butter und Käse. Die Anregung hatte Herzog Adolf und sein Eiderstedter Staller Caspar Hoyer aus den Niederlanden mitgebracht. Sie erlaubten den Glaubensflüchtlingen, den Deichbautechnikern und Milchverarbeitern die Flucht nach Nordfriesland. Die Infrastruktur wurde hier verbessert (Bootfahrten und Häfen). Vor allem wandelte sich die Landschaft durch die Haubarge. Dort arbeiteten die Holländer, die Kenntnisse von der Milchverarbeitung und Käsezubereitung hatten, so dass man die Höfe Holländereien nannte. Diese Wirtschaftsform weiteten sich so stark aus, dass 1583 zwei Millionen Pfund Käse aus dem Tönninger Hafen exportiert werden konnten-8-. 1580 bis 1628 wurde eine Zeit wirtschaftlicher Blüte. Aus dieser Zeit stammt der Satz, dass es mehr Gold und Silber in Eiderstedt gäbe als Eisen.
Aber schon bald wird durch den 30jährigen Krieg (1618-1648) und durch die verheerende Sturmflut von 1634 und den Auswirkungen des Polackenkrieges 1658 der wirtschaftliche Reichtum in der Landschaft zerstört.
Um die Wirtschaft wieder aufzupäppeln, soll es keine Einschränkungen geben, auch keine Monopole erlaubt sein. So kauft man sich das Privilegium „de non admittendi monopolis“.

-8- Hammerich, H., 'Die Landwirtschaft Eiderstedts in Vergangenheit und Gegenwart' in: Blick über Eiderstedt Bd. 2. S. 20

1721 bis 1864 staatliche Reglementierung durch den dänischen Staat
Im 18. Jh. haben wir eine Mischform zwischen Milchwirtschaft, Weidemast und Ackerbau anzunehmen, daneben und abhängig davon den Handel und das Gewerbe. Volckmar-9- beschreibt die Wirtschaft von 1795 als Handel mit Ochsen und Schafen, mit Butter und Käse; er beschreibt ebenfalls den Ackerbau mit Raps und Weizen, Bohnen und Erbsen, Gewinnung von Reet und den Anbau von weißem Kohl.
Ein Drittel der Landschaft liegt unter dem Pflug, zwei Drittel sind Grasland. Im Herbst verlangt die Ernte Arbeiter, die aus ganz Schleswig-Holstein und Pommern kommen. Sie stören die Ruhe und Ordnung durch ihr vagabundierendes Leben-10-. Die Erzählung von Hinrichs „De beide Döschers", die Klagen der Gardinger über die vielen Fremdarbeiter zur Erntezeit, beweisen, dass kräftig Ackerbau betrieben wurde, der Drescher und Hilfsarbeiter im Herbst und Winter benötigte.
In diesem Jahrhundert zerstören viele Sturmfluten 1717, 1726, 1752 die Prosperität der Landschaft; die Viehseuchen (1713/14 und 1775-79)-11- vernichten den Viehbestand: Der Große Nordische Krieg 1700 und 1713 mit seinen Belastungen schaden die Region und die Landschaft. Kleinkriege mit seinen Belastungen verschärften die wirtschaftliche Notlage und bewirken den wirtschaftlichen Ruin.
Der Staat versuchte einzugreifen und zu helfen, aber auch staatliche Eingriffe nutzten wenig. Es war die absolutistische Anschauung, dass nur ein geordnetes Gewerbewesen für den Staat förderlich sein könne. Doch sie hinderten vor allem das Gewerbe und den Handel.
1711 erschien noch unter den Gottorfern die Verordnung zur Einschränkung der Gewerbefreiheit:
Im Umkreis von zwei Meilen solle kein Handel und Wandel stattfinden, sondern jedes Kirchspiel solle nur 1 Rademacher, Grobschmied, Schneider, Schuster haben. Damit wurde rechtlich in Eiderstedt die Gewerbefreiheit beendet, nicht allerdings in der Praxis, denn 1735 wehren sich die Städter in Garding und Tönning dagegen, dass diese Regelung immer wieder durchbrochen werde. 1749 beklagen die Friedrichstädter der Handel mit Korn auf dem Lande, obwohl sie die Berechtigung dazu haben.
1784 wird der Eiderkanal Kiel-Tönning fertig gestellt und gibt neuen Aufschwung für Tönning als Umschlagsplatz. Der Handel blüht für kurze Zeit, aber die Kontinentalsperre 1806 und der folgende dänische Staatsbankrott vernichteten die kurze Wirtschaftsblüte in Tönning und Eiderstedt.
1805 entwickelt der dänische Staat das Konzessionssystem, womit das Ende der Gewerbefreiheit durchgesetzt war. 1808 durfte ein Handwerker auf dem Dorfe keinen Lehrling ausbilden, sondern nur Gehilfen und Handlanger beschäftigen. 1810,1820,1830 senden die Eiderstedter Gesuche an den dänischen König, die nichts bewirkten; 1836 sandte man eine Petition durch den Ratmann Hamkens; 1842 bat man den König bei seinem Besuch in Tating, der darauf antwortete: „man arbeite an einer besseren Lösung“, aber erst am 17. März 1868 Gewerbefreiheit durch die Preußische Regierung.

-9- Volckmar, F. C., 'Versuch einer Beschreibung Eiderstädts' 1795 S.248ff
-10- Volckmar, F .C., 'Versuch einer Beschreibung Eiderstädts' 1795 S. 232 und 287
-11- Volquardsen, R., 'Viehseuchen in Eiderstedt' in JbNF 2 1966

Weidemast 1800 und Viehexport
Vieles ändert sich im folgenden Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert übernimmt die Weidemast der Shorthorn-Rinder die herausragende Stellung in Eiderstedt und der Ackerbau geht immer stärker zurück. Man beschränkt sich zuletzt auf den eigenen Gebrauch:


Ackerland und
Grünland (Fettvieh)
1795
ein Drittel
zwei Drittel (Volckmar)
1800
40%
60%
1845
30%
70%
1870
20%
80%
1900
14%
86%

Die Weidemast, die Fettgräsung, wurde die wirtschaftliche Grundlage. 1846 setze ein Export lebenden Schlachtviehs über Tönning, bald auch über Husum nach England ein; er nahm rasch zu und erreichte von 1874 bis 1876 mit jährlich 43.000 – 49.000 Rindern und bis zu 60.000 Schafen seinen Höhepunkt. Die Landwirtschaft stellte sich gründlich auf diese neue Konjunktur um. Tönning hatte eigene Transportschiffe. Als England 1888 ein Importverbot aussprach, brauchte man neue Absatzgebiete und transportierte die Tiere auf dem Schienenwege ins Rheinland, nach Berlin und Sachsen.

Milchwirtschaft und Tourismus

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Shorthornzucht abgelöst und man konzentrierte sich wieder auf die Milchwirtschaft. Die Erfindung der Zentrifuge förderte den Bau von Meiereien, mit der Milch konnte man nun auf einfachere Weise sein Leben finanzieren. Die schwarzbunten Kühe wurden wieder das typische Bild der Landschaft. Kleine Landstellen vereinigten sich in Genossenschaften; Butter und Käse wurden wieder Exportartikel.
In Tönning wurde 1889 eine Werft errichtet, nachdem die Stadt am alten Kanal ihre Position verloren hatte. Sie war ein neues wirtschaftliches Standbein besonders nach der Öffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals 1895. Die Bedeutung wuchs stetig: 1903 gab es 700 Beschäftigte, 1905 1200. Durch die allgemeine Schiffbaukrise, Standortnachteile und finanzielle Probleme erfolgte 1909 die Zwangsversteigerung und 1925 die Demontage der Werft.
Ganz vorsichtig begann in St. Peter um die Jahrhundertwende der Tourismus, der gegen Ende des 20. Jahrhunderts zur vollen Blüte gedieh. Der Tourismus wurde das wirtschaftliche Standbein der Landschaft Eiderstedt. Zwar hinderten die beiden Weltkriege und die Inflation (1923) die gradlinige Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges, aber nach 1950 konnte sie sich voll entfalten und heute ist der Tourismus für die ganze Landschaft wichtiger als die Landwirtschaft. Die Weite der Landschaft mit Rindern und Schafen bestimmt zwar das Bild, aber deren wirtschaftliche Kraft liegt nur noch bei 5%. Der Tourismus bestimmt die Wirtschaft. Er aber verdankt seine Attraktivität dieser Landschaft.

Literatur

Haalck, Peter:
„Die historische Entwicklung der Weidemast in Eiderstedt" Diss. Kiel 1955

Geerkens, August:
„Aus der Eiderstedter Haubargzeit letzten Blütezeit" in: Heimat 25 S. 96 ff und 121 ff

Hammerich, Heinz:
„Eiderstedts Landwirtschaft – Gestern und heute" Husum 1984

Volquardsen, Sönnich. (Hrsg.) :
„...den Fuß auf der schweren Eiderstedter Erde – welch ein Gefühl" in: Blick über Eiderstedt Bd. 4

Volckmar, Friedrich:
„Versuch einer Beschreibung Eiderstädts"
Garding, 1795 S. 220 ff

Staeglich, Helmut:
„Schleswig-Holsteinischer Kanal und Elbblockade" in: Tönning im Wandel" 1990 S. 48ff